Das “Studentenfutter” der Makrobiotik: Seitan!

by | 24.05.2021 | Wissenswertes

Falsche Freunde in der Makrobiotik-Bewegung Teil 1: Das ist nicht, was Ohsawa sich darunter vorgestellt hatte…

 Letzte Woche gab es keins, dafür kommt es diese Woche gleich doppelt (dick); das Wort zum Sonntag!

 Ich fühle mich nämlich grad so richtig Energie-geladen (es ist endlich “warm” hier, sprich ich platze vor Vitamin D!) und deshalb starte ich jetzt mal eine Serie.

 Die “Falschen Freunde” der Makrobiotik. Haben Sie jemals eine Sprache gelernt? Da gibt es die sogenannten “Falschen Freunde”, Wörter, die sich enorm ähnlich, aber eine andere Bedeutung haben. Darauf fällt man eben gerne hinein, entweder weil man es nicht besser weiß, oder; und das ist das wirklich fiese, weil man sich eben in dem Moment nicht wirklich aufs Wesentliche konzentriert, weil man nicht wirklich nachdenkt.

 Mir passiert das immer noch oft mit dem Spanisch, ich denke ja (immer noch) in Italienisch und wenn ich dann Spanisch schreibe und danach Korrektur lese fällt es mir peinlich auf… und das, obwohl ich die richtigen Wörter eigentlich weiß.

 Kurze Einleitung:

 Wieso sind Sie überhaupt hier? Wieso lesen Sie auf einem Blog, in dem es um Makrobiotik geht?

 Na, weil Sie jetzt grade oder zumindest irgendwann mal in ihrem Leben damit angefangen haben, sich mit Ihrer Ernährung/ihrem Lebensstil auseinanderzusetzen! Irgendwann waren Sie kein Kleinkind mehr und haben gewisse Dinge hinterfragt. Bei den Meisten von Ihnen war es dann eben das Wurstbrot, der Kuchen, das Schnitzel oder was auch immer. Es geht hier nicht um Essen oder nicht Essen, sondern um die Wahrnehmung des Essens. Ich kann Kuchen essen, aber ich weiß, der ist jetzt grade vielleicht nicht gut für mich (oder aber genau das Richtige).

 “Unglücklicherweise” hatte ich niemals die Chance, ein Wurstbrot zu hinterfragen. Ich habe noch nie (!) in meinem Leben eins gegessen. In meiner Kindheit (außerdem die meiste Zeit, die ich in Deutschland verbracht habe) , in der Zeit bevor ich das Essen “wahrnehmen” oder “hinterfragen” konnte, da hab ich nie eins bekommen. Und später fand ich das einfach nur unnötig, das überhaupt zu probieren. Das Wurst “minderwertiger” ist als Fleisch am Stück ist wohl allen klar und typisches Schwarzbrot mochte ich nie. Kulinarischer Reiz also gleich Null. Gesundheitlicher Nutzen ebenfalls.

 Das ich keins bekommen habe, liegt daran, dass sich eben meine Eltern ganz stark mit ihren kindlichen Schmalzbroten und Senfeiern ausgesetzt haben und als Folge dessen anfingen, die Makrobiotik zu studieren. Als sie damit anfingen, war die “Hoch-Zeit” der Kushi-beeinflußten Makrobiotik, sie diente also als “Grundlage” für die makrobiotische Praxis meiner Eltern.

 Um zum Punkt zu gelangen: Ich, als stark “Kushi-Makrobiotik-beeinflußt-Aufgewachsene” habe irgendwann logischerweise angefangen, DIESE Makrobiotik zu hinterfragen!

 Jaha, ich habe nicht “einfach das weitergeführt, was ich von zuhause kannte” , “kochen von Mama gelernt” oder handle/schreibe im Auftrag meiner Eltern.

 Im Gegenteil, bei uns sind schon öfters richtig die Fetzen geflogen.

Und, makrobiotisch wie wir sind, finden wir das auch völlig in Ordnung. Es wäre für meine Eltern deutlich besorgniserregender, wenn ich einfach alles was sie so praktizieren wie ein Schwamm aufgesaugt und nachgemacht hätte.

 Sie haben doch in den letzten 30 Jahren auch neue Ansichten und Erkenntnisse gesammelt! Würden sie verkrustet da an dem festhalten, was Kushi ihnen vor 40 Jahren gesagt hat, dann müsste ICH mir wohl Sorgen machen!

 Aber, es gibt auch Momente im Leben, da ist es nützlich, einen Schwamm zu haben. Was kann der nämlich besonders gut? Aufsaugen, festhalten und dann gegebenenfalls gleichmäßig verteilen.

 Und da sind wir schon beim Seitan!

 Und zwar in seiner heutigen Version. Denn, es ist zwar richtig, dass George Ohsawa (Mitgründer der modernen Makrobiotik) den Begriff “Seitan” erfunden hat und eine industrielle Herstellung in Gang brachte. Er ließ sich von traditionell japanischen, getrockneten Glutenprodukten (FU) inspirieren, um eine Zubereitung zu entwickeln, die….

 Mit dem heutigen Seitan praktisch nichts gemeinsam hat. Das heutige Seitan ist eine Erfindung von Nik und Joanne Amartseff und John Weissman. Unter dem Namen “Wheatmeat” haben sie es sich dann später schützen lassen (Quelle: En.wikipedia.org) Immerhin hatte sie nicht den Mut, den Namen “Seitan” zu klauen…

 Was war also das “Seitan” Ohsawas?? Ein Schwamm eben!

 Seitan war als “Kondiment” gedacht; Mineralreiche Shoyu-Kombu-Brühe, konzentriert und festgehalten von einem Schwamm. In kleinen Tütchen oder Gläsern, um Vollkornreis damit zu würzen. Schnelles, einfachstes Essen.

 Um das nochmal klar zu machen: „Seitan“ ist kein Nahrungsmittel. Es ist pures, ausgewaschenes Gluten, dass Salz und Mineralien durch den Sud, in dem es gekocht wird, aufgesaugt hat. Ausgewaschen aus weißem Mehl. Komplett leer, es ist pures, klebrig-flexibles Schwammgewebe. In der Lebensmittelindustrie als Zusatztstoff einzustufen. Das “Eiweiß” ist zwar enthalten, aber in dieser Form nicht für den Körper verwertbar.

 Wer also Seitan “pur” für die “pflanzlichen Proteine” isst, der ist genauso schlau wie jemand, der Wackelpudding aus Gelatine für die “tierischen Proteine” isst.

 Wieso macht man sich also diese enorme Mühe, etwas “Leeres” herzustellen, um damit etwas “Volles” (in diesem Fall Sojasauce, aus fermentierten Sojabohnen, und Kombu-Alge, mineralreich) aufzusaugen und zu speichern? Wieso wird bis heute auf der ganzen Welt auf Makrobiotik Seminaren fröhlich tonnenweise Mehl ausgewaschen, um es dann verschwenderisch in literweise Shoyu zu kochen? Damit man endlich wieder in den Geschmack/das Gefühl von “Gulasch” kommt? Wenn das der Kern von Makrobiotik ist, dann wende ich mich ab heute lieber der Blutgruppen-Diät zu! Sie wollen Nudeln mit Gulasch auf makrobiotisch?? Essen Sie Nudeln mit (langsam gekochten) Gulasch! Nudeln mit Seitan sind vegan, aber nicht mit der makrobiotischen Philosophie zu „begründen“.

 Aber ich habe dazu einen Erklärungsansatz:

 Grade auf Seminaren ist das nämlich gar nicht sooo verkehrt. Da sind wir schließlich, weil wir etwas lernen, aufnehmen, studieren wollen. Je mehr Schwamm wir da sind, desto besser, oder?

 Student sein, bedeutet Schwamm sein, ja. Information aufsaugen, festhalten und dann irgendwann gleichmäßig verteilen. Und da sind wir auch wieder beim “Ur-Seitan”, dieser Erfindung buddhistischer Mönche. Die hatten nämlich viel Zeit und Muße, ihre Sojabohnen zu fermentieren, um daraus Shoyu herzustellen. Und gleichzeitig ganz viel Bedürfnis, zu studieren. Es ist ihr Lebensinhalt. Studieren. Keine “eigene” Meinung entwickeln, nur studieren. Deshalb ist getrocknetes Weizengluten, in Suppen mit viel Shoyu eingeweicht, genau das Richtige.

 Und als Makrobioten? Kann man das natürlich essen. Man kann, man muss aber auch nicht. Es ist nicht “makrobiotischer” als andere Nahrungsmittel, da es für sich allein praktisch nicht existiert. Die erste Frage muss also lauten: Kann mein Essen es sich “erlauben”, dass ich da einen Schwamm mit auf den Teller lege? Ist es an sich schon ausgewogen genug? Kann ich das „Kondiment“ Seitan in mein Gericht integrieren? Es ist keine Beilage, es ist als Kondiment zu interpretieren.

 Zweite Frage: Wie viel von diesem Effekt kann ich mir erlauben? Bin ich grad in einer Phase, wo ich einfach nur aufsaugen kann/möchte? Oder bin ich in einer Lebensphase, wo ich aus mir herauskommen und aktiv werden muss? Möchte ich grade zu neuen Erkenntnissen kommen oder möchte ich gelerntes “endlich” anwenden?

 Möchte ich “für immer Student” bleiben oder möchte ich irgendwann ein “Meister” sein? Geht das überhaupt oder soll ich als “Meister” nochmal in die Lehre gehen…?

 Die Wahl liegt beim Individuum!

 Rein praktischer Nachtrag: Seitan sollte man nicht täglich essen und es ist kein “Fleischersatz” für Kinder. Die saugen normalerweise schon von Natur aus genug auf.

 Von Nora Schubring

www.easymacrobiotics.net

Nora Schubring

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